Читать книгу «Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке» онлайн полностью📖 — Густава Майринка — MyBook.
image
cover

Густав Майринк
Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке

Gustav Meyrink

Walpurgisnacht

© Антология, 2005

© КАРО, 2005

Der Schauspieler Zrcadlo

Ein Hund schlug an.

Einmal. Ein zweites Mal.

Dann lautlose Stille, als ob das Tier in die Nacht hineinhorche, was geschehen werde.

„Mir scheint, der Brock hat gebellt“, sagte der alte Baron Konstantin Elsenwanger, „wahrscheinlich kommt der Herr Hofrat.“

„Das ist doch, meiner Seel’, kein Grund nicht zum Bellen“, warf die Gräfin Zahradka, eine Greisin mit schneeweißen Ringellocken, scharfer Adlernase und buschigen Brauen über den großen, schwarzen, irrblickenden Augen, streng hin, als ärgere sie sich über eine solche Ungebührlichkeit, und mischte einen Stoß Whistkarten noch schneller, als sie es ohnehin bereits eine halbe Stunde hindurch getan hatte.

„Was macht er eigentlich so den ganzen lieben Tag lang?“ fragte der kaiserliche Leibarzt Thaddäus Flugbeil, der mit seinem klugen, glattrasierten, faltigen Gesicht über dem altmodischen Spitzenjabot wie ein schemengleicher Ahnherr der Gräfin gegenüber in einem Ohrenstuhl kauerte, die unendlich langen, dürren Beine affenhaft fast bis zum Kinn emporgezogen.

Den „Pinguin“ nannten ihn die Studenten auf dem Hradschin[1] und lachten immer hinter ihm drein, wenn er Schlag 12 Uhr mittags vor dem Schlosshof in eine geschlossene Droschke stieg, deren Dach erst umständlich auf- und wieder zugeklappt werden musste, bevor seine fast zwei Meter hohe Gestalt darin Platz gefunden hatte. – Genauso kompliziert war der Vorgang des Aussteigens, wenn der Wagen sodann einige hundert Schritte weiter vor dem Gasthaus „Zum Schnell“ haltmachte, wo der Herr kaiserliche Leibarzt mit ruckweisen, vogelhaften Bewegungen ein Gabelfrühstück aufzupicken pflegte. —

„Wen meinst du“, fragte der Baron Elsenwanger zurück, „den Brock oder den Herrn Hofrat?“

„Den Herrn Hofrat natürlich. Was macht er so den ganzen Tag?“

„No. Er spielt sich halt mit den Kindern in den Choteks- Anlagen.“

„Mit ‘die’ Kinder“, verbesserte der Pinguin.

„Er – spielt – sich – mit – denen – Kindern“, fiel die Gräfin verweisend ein und betonte jedes Wort mit Nachdruck. Die beiden alten Herren schwiegen beschämt.

Wieder schlug der Hund im Park an. Diesmal dumpf, fast heulend.

Gleich darauf öffnete sich die geschweifte, dunkle, mit einer Schäferszene bemalte Mahagonitür, und der Herr Hofrat Kaspar Edler von Schirnding trat ein – wie gewöhnlich, wenn er zur Whistpartie ins Palais Elsenwanger kam, mit engen schwarzen Hosen angetan und den ein wenig rundlichen Leib in einen Biedermeiergehrock von hellem Braun aus wunderbar weichem Tuch gehüllt. Hastig wie ein Wiesel und ohne ein Wort zu verlieren, lief er auf einen Sessel zu, stellte seinen gradkrempigen Zylinderhut darunter auf den Teppich und küsste sodann der Gräfin zeremoniell die Hand zur Begrüßung.

„Warum er jetzt noch immer bellt?“ brummte der Pinguin nachdenklich.

„Diesmal meint er den Brock“, erläuterte die Gräfin Zahradka mit einem zerstreuten Blick auf Baron Elsenwanger.

„Herr Hofrat sehen so schweißbedeckt aus. Dass Sie sich nur nicht verkühlen!“ rief dieser besorgt, machte eine Pause und krähte dann plötzlich in arienhaften Schwingungen in das finstere Nebenzimmer, das sich daraufhin wie durch Zauberschlag erhellte:

„Bosena, Bosena, Bo-schenaah, bitt’ Sie, bring Sie, prosim, das Supperläh[2]!“

Die Gesellschaft begab sich in den Speisesaal und nahm um den großen Esstisch herum Platz.

Nur der Pinguin stolzierte steif an den Wänden entlang, betrachtete bewundernd, als sähe er sie heute zum ersten Mal, die Kampfszenen zwischen David und Goliath auf den Gobelins und betastete die prachtvollen, geschweiften Maria-Theresia-Möbel mit Kennerhänden.

„Ich war unten! In der Welt!“ platzte der Hofrat von Schirnding heraus und betupfte seine Stirn mit einem riesigen, rot-gelb-gefleckten Taschentuch. „Und bei der Gelegenheit hab’ ich mir die Haare schneiden lassen.“ – er fuhr sich mit dem Finger hinter den Kragen, als jucke ihn der Hals.

Derartige auf einen angeblich nur schwer zu bändigenden Haarwuchs abzielende Bemerkungen pflegte er jedes Vierteljahr zu machen, in dem Wahn, man wisse nicht, dass er Perücken trage – einmal langlockige, dann wieder kurzgeschorene – , und immer bekam er auch in solchen Fällen staunenerfülltes Gemurmel zu hören. Aber diesmal blieb es aus: Die Herrschaften waren zu verblüfft, als sie vernahmen, wo er gewesen sei.

„Was? Unten? In der Welt? In Prag? Sie?“ Der kaiserliche Leibarzt Flugbeil war erstaunt herumgefahren. „Sie?“

Den beiden anderen blieb der Mund offen. „In der Welt! Unten! In Prag!“

„Da – da haben Sie ja ieber die Brücke missen!“ brachte die Gräfin endlich stockend heraus. „Was denn, wenn sie eingestirzt wäre?!“

„Eingestirzt!! No servus!“ krächzte Baron Elsenwanger und wurde blass. „Unberufen“ – er ging zittrig zur Ofennische, vor der noch aus der Winterszeit her ein Scheit Holz lag, nahm es, spuckte dreimal darauf und warf es in den kalten Kamin – „Unberufen.“

Bosena, das Dienstmädchen, in zerlumpten Kittel, ein Kopftuch um und barfuß, wie es in altmodischen Prager Patrizierhäusern üblich ist, brachte eine prunkvolle Schüssel aus schwerem getriebenem Silber herein.

„Aha! Wurstsuppe!“ brummte die Gräfin und ließ befriedigt ihre Lorgnette fallen. – Sie hatte die Finger des Mädchens, die in viel zu weiten, weißen Glacéhandschuhen staken und in die Brühe hineinhingen, für Würste gehalten. —

„Ich bin mit – der Elektrischen gefahren“, stieß der Herr Hofrat gepresst hervor, immer noch voll Aufregung des überstandenen Abenteuers eingedenk.

Die anderen wechselten einen Blick: Sie fingen an, seine Worte zu bezweifeln. Nur der Leibarzt zeigte ein steinernes Gesicht.

„Ich war vor dreißig Jahren das letzte Mal unten – in Prag!“ stöhnte der Baron Elsenwanger und band sich kopfschüttelnd die Serviette um; die beiden Zipfel standen hinter seinen Ohren hervor und verliehen ihm das Aussehen eines furchtsamen, großen, weißen Hasen. „Damals, als mein Bruder selig in der Teinkirche beigesetzt wurde.“

„Ich war ieberhaupt mein Lebtag noch nicht in Prag“, erklärte Gräfin Zahradka schaudernd. „Das könnt mich so haben! – Wo sie meine Vorfahren auf dem Altstädter Ring hingerichtet haben!“

„Nun, das war damals im Dreißigjährigen Krieg, Gnädigste“, suchte sie der Pinguin zu beruhigen. „Das ist schon lange her.“

„Ach was – ich denk’ es noch wie heite. Ieberhaupt die verfluchten Preißen!“ – Die Gräfin starrte geistesabwesend in ihren Suppenteller, befremdet, dass keine Würste darin waren; dann funkelte sie durch ihre Lorgnette über den Tisch, ob die Herren sie ihr vielleicht weggeschnappt hätten.

Einen Augenblick lang versank sie in tiefes Nachdenken und murmelte vor sich hin: „Blut, Blut. Wie das herausspritzt, wenn man einem Menschen den Kopf abhaut. – Dass Sie sich nicht gefirchtet haben, Herr Hofrat?! Was, wenn Sie unten in Prag den Preißen in die Hände gefallen wären?“ fuhr sie laut, zu dem Edlen von Schirnding gewendet, fort.

„Den Preißen? – Wir gehen doch jetzt Hand in Hand mit den Preißen!“

„So? Ist der Krieg also endlich aus! No ja, der Windischgrätz, der hat’s ihnen halt wieder amal gegeben.“

„Nein, Gnädigste, wir sind mit die Preißen“ – meldete sich der Pinguin – „will sagen: mit ‘denen’ Preißen – schon seit drei Jahren gegen die Russen verbündet und – “ („Ver- bin-dät!“-bekräftigte der Baron Elsenwanger. -) „– und kämpfen Schulter an Schulter mit ihnen. – Er ist – “ Er brach höflich ab, als er das ironische, ungläubige Lächeln der Gräfin bemerkte.

Das Gespräch stockte, und man hörte eine halbe Stunde lang nur noch das Klappern der Messer und Gabeln oder das leise klatschende Geräusch, wenn Bosena mit ihren nackten Füßen um den Tisch herumging und neue Speisen auftrug. —

Baron Elsenwanger wischte sich den Mund: „Herrschaften! Wollen wir jetzt zum Whist – ?“

Ein dumpfes, langgezogenes Geheul klang durch die Sommernacht aus dem Garten herauf und schnitt ihm die Rede ab – :

„Jesus, Maria – ein Vorzeichen! Der Tod ist im Haus!“ – „Brock! Mistvieh, verfluchtes. Kusch dich!“ hörte man die halblaute Stimme eines Dieners unten im Park schimpfen, als der Pinguin die schweren Atlasvorhänge beiseite geschoben und die Glastür dahinter, die auf die Veranda führte, geöffnet hatte. —

Eine Flut von Mondlicht ergoss sich in das Zimmer, und kühler Luftzug voll Akazienduft machte die Kerzenflammen in den gläsernen Kronleuchtern flackern und schwelen.

Auf dem kaum handbreiten Sims der hohen Parkmauer, hinter der ein Dunstmeer aus dem tief unten jenseits der Moldau schlummernden Prag rötlichen Dunst empor zu den Sternen hauchte, schritt langsam und aufrecht ein Mann, die Hände tastend vorgestreckt wie ein Blinder – bald gespenstisch halb verdeckt durch die silhouettenhafte Schlagschatten der Baumäste, dass es schien, als sei er aus glitzerndem Mondlicht geronnen, dann wieder grell beschienen, wie frei schwebend über dem Dunkel.

Der kaiserliche Leibarzt Flugbeil traute seinen Augen nicht: Eine Sekunde lang glaubte er, er träume, dann brachte ihn das plötzliche, wütende Aufbellen des Hundes zur Besinnung – er hörte einen gellenden Schrei, sah die Gestalt auf dem Sims schwanken und, wie von einem lautlosen Windstoß weggeweht, verschwinden.

Das Prasseln und Brechen von Zweigen und Gebüsch verriet ihm, dass der Mann in den Garten gefallen war. —

„Mörder, Einbrecher! – Man muss die Wache holen!“ zeterte der Edle von Schirnding, der auf den Schrei hin mit der Gräfin aufgesprungen und zur Tür geeilt war.

Konstantin Elsenwanger hatte sich wimmernd auf die Knie geworfen, das Gesicht in den Sitzpolstern seines Lehnstuhls vergraben, und betete, in den gefalteten Händen noch ein gebratenes Hühnerbein, das Vaterunser.

Auf die schrillen Befehle des kaiserlichen Leibarztes, der wie ein riesiger nächtlicher Vogel mit federlosen Flügelstümpfen von der Verandabrüstung hinab in die Finsternis gestikulierte, kam die Dienerschaft aus dem Portierhäuschen in den Park gelaufen und durchsuchte mit Windlichtern, wild durcheinanderrufend, die dunklen Bosketts. Der Hund schien den Eindringling gestellt zu haben, denn er bellte laut und anhaltend in regelmäßigen Intervallen.

„No alsdann, was ist denn, habts den preißischen Kosaken endlich?“ zürnte die Gräfin, die von Anfang an nicht die Spur von Aufregung oder Angst gezeigt hatte, durch ein offenes Fenster hinunter.

„Heilige Muttergottes, er hat den Hals gebrochen!“ hörte man das Dienstmädchen Bosena jammernd aufkreischen; dann trugen die Leute den leblosen Körper eines Menschen von dem Fuß der Mauer her in den Lichtschein, den das helle Zimmer hinaus auf den Rasenplatz warf.

„Bringt ihn herauf! Rasch! Bevor er verblutet“, befahl die Gräfin kalt und ruhig, ohne auf das Gewinsel des Hausherrn zu achten, der entsetzt dagegen protestierte und verlangte, man solle den Toten über die Mauern den Abhang hinunterwerfen – ehe er wieder lebendig werden könne.

„Bringt ihn wenigstens hier hinein ins Bilderzimmer“, flehte Elsenwanger, drängte die Greisin und den Pinguin, der einen der brennenden Armleuchter ergriffen hatte, in den Ahnensaal und verschloss die Tür hinter ihnen.

Außer ein paar geschnitzten Stühlen mit hohen vergoldeten Lehnen und einem Tisch standen keinerlei Möbel in dem langgezogenen, gangartigen Raum – der dumpfe morsche Geruch und die Staubschicht auf dem Steinboden verrieten, dass er nie gelüftet wurde und seit langem nicht mehr betreten worden war.

Die lebensgroßen Gemälde darin waren ohne Rahmen in die Täfelungen der Wände eingelassen: Porträts von Männern in Lederkollern, Pergamentrollen gebieterisch in den Händen haltend – Frauen dazwischen mit Stuartkragen und Puffen an den Ärmeln – ein Ritter in weißem Mantel mit Malteserkreuz, eine aschblonde junge Dame im Reifrock, Schönheistpflästerchen auf Wange und Kinn, ein grausames, wollüstig-süßes Lächeln in den verderbten Zügen, mit wundervollen Händen, schmaler, gerader Nase, feingeschnittenen Nüstern und feinen, hochgeschwungenen Brauen über den grünlichblauen Augen – eine Nonne im Habit der Barnabiterinnen – ein Page – ein Kardinal mit asketischen, mageren Fingern, bleigrauen Lidern und versunkenem, farblosem Blick. So standen sie in ihren Nischen, dass es aussah, als kämen sie aus dunklen Gängen herbei ins Zimmer, aufgeweckt nach jahrhundertelangem Schlaf infolge des flackernden Glanzes der Kerzen und der Unruhe im Haus. – Bald schienen sie sich heimlich verbeugen zu wollen voll Vorsicht, dass nicht ein Rascheln der Kleider sie verrate – schienen die Lippen zu bewegen und lautlos wieder zu schließen, mit den Fingern zu zucken oder die Mienen hochzuziehen, um sofort in Starrheit zu versinken, als hielten sie den Atem an und ließen ihr Herz stillstehen, wenn der Blick der beiden Lebenden sie flüchtig streifte.

„Sie werden ihn nicht retten können, Flugbeil“, sagte die Gräfin und sah wartend unverwandt zur Tür. „Es ist wie damals. Wissen Sie! Er hat den Dolch im Herzen stecken. – Sie werden wieder sagen: Hier ist leider jede menschliche Kunst am Ende.“

Der kaiserliche Leibarzt verstand im ersten Moment nicht, was sie meinte. Dann begriff er mit einemmal. – Er kannte das an ihr. Sie verwechselte die Vergangenheit mit der Gegenwart – pflegte dergleichen zuweilen zu tun.

Dasselbe Erinnerungsbild, das ihr Gedächtnis verwirrte, wurde plötzlich auch in ihm lebendig: Vor vielen, vielen Jahren hatte man in ihrem Schloss auf dem Hradschin ihren Sohn erstochen ins Zimmer hineingetragen. Und vorher ein Schrei im Garten, das Bellen eines Hundes – alles genau wie heute. Wie jetzt hier im Raum waren auch damals Ahnenbilder an den Wänden gehangen und war ein silberner Armleuchter auf dem Tisch gestanden. – Einen flüchtigen Augenblick lang war der Leibarzt so verwirrt, dass er nicht mehr wusste, wo er war. Die Erinnerung hielt ihn so gefangen, dass es ihm gar nicht wie Wirklichkeit vorkam, als man den Verunglückten zur Tür hereinbrachte und vorsichtig niederlegte. Er suchte unwillkürlich nach Worten des Trostes für die Gräfin wie einst, bis ihm mit einem Schlag klar bewusst wurde, dass es doch nicht ihr Sohn war, der hier lag, und dass statt ihrer jugendlichen Erscheinung von damals eine Greisin mit weißen Ringellocken am Tisch stand. —

Eine Erkenntnis, schneller als ein Gedanke und schneller, als dass er sie richtig hätte erfassen können, durchzuckte ihn und ließ das dumpfe, rasch verdämmernde Gefühl in ihm zurück, dass die „Zeit“ nichts als eine diabolische Komödie sei, die ein allmächtiger unsichtbarer Feind dem menschlichen Gehirn vorgaukelt.

Nur die einzige Furcht blieb ihm als Ernte: dass er blitzartig mit dem inneren Empfinden einen Moment lang begriffen hatte – was er früher niemals richtig zu verstehen fähig gewesen war – , nämlich die seltsamen befremdlichen Seelenzustände der Gräfin, die bisweilen sogar historische Ereignisse aus der Zeit ihrer Ahnen als gegenwärtig empfand und mit ihrem Alltagsleben unentwirrbar zu verknüpfen pflegte.

Er empfand es wie einen unwiderstehlichen Zwang, dass er sagen musste: Wasser bringen! Verbandsseug! – dass er sich wieder, wie damals, herabbeugte und nach den Aderlassschnepper in seiner Brusttasche griff, den er aus alter, längst überflüssig gewordener Gewohnheit immer bei sich trug.

Erst als der Atemhauch aus dem Munde des Ohnmächtigen seine prüfenden Finger traf und sein Blick zufällig auf die nackten, weißen Schenkel Bosenas fiel, die mit der den böhmischen Bauernmädchen eigentümlichen, schamfreien Ungeniertheit sich mit emporgerutschtem Rock niedergekauert hatte, um besser sehen zu können – kam er wieder völlig ins Gleichgewicht: Das Bild der Vergangenheit löste sich angesichts der fast schreckhaften Gegensätze zwischen blühendem jungem Leben, der Totenstarre des Bewusstlosen, den schemenhaften Gestalten der Ahnengemälde und den greisenhaft gefurchten Zügen der Gräfin wie ein verdunstender Schleier von der Gegenwart.

Der Kammerdiener stellte den Leuchter mit den brennenden Kerzen auf den Boden, und ihr Schein erhellte das eigentümlich charakteristische Gesicht des Verunglückten, der – die Lippen unter dem Einfluss der Ohnmacht aschfarben und widernatürlich abstechend von den grellrot geschminkten Wangen – eher der wächsernen Figur einer Schaubude als einem Menschen glich.

„Heiliger Wenzel, es ist der Zrcadlo!“ rief das Dienstmädchen und zog – wie unter der Empfindung, als habe das Pagenporträt in der Wandnische infolge des Lichtflackerns plötzlich ein begehrliches Auge auf sie geworfen – züchtig ihren Rock über die Knie.

„Wer ist s?“ fragte die Gräfin erstaunt.

...
5

На этой странице вы можете прочитать онлайн книгу «Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке», автора Густава Майринка. Данная книга имеет возрастное ограничение 16+, относится к жанру «Литература 20 века». Произведение затрагивает такие темы, как «романы-притчи», «власть и общество». Книга «Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке» была написана в 1917 и издана в 2020 году. Приятного чтения!